USA und Europa – weiter signifikante Unterschiede

Marktkommentar, November 2019

USA und Europa – weiter signifikante Unterschiede

Obwohl dieses Jahr europäische Aktien wieder gegenüber US-Aktien aufgeholt haben, liegen sie im langfristigen Vergleich weiter klar hinter den USA. Es gibt es verschiedene wichtige Gründe, warum gerade die Aktien der Eurozone langfristig in der Performance weniger gut liefen als jene der USA. Auch wenn einige dieser Gründe ändern können, gehen wir nicht davon aus, dass sich alle so stark ändern, dass die langfristige Überlegenheit der USA gefährdet wird. Wir zeigen die wichtigen Unterschiede zwischen den USA und Europa auf – sowohl im Hinblick auf die Konjunktur wie auf die Aktienmärkte. 

Letztes Jahr war die Performance der europäischen Aktien um 6 % schlechter als jene der USA. Dieses Jahr haben die Aktien Europas zwar aufgeholt, doch die USA führen weiterhin im langfristigen Vergleich. Seit dem Rezessionstief von 2002 zum Beispiel zeigt der US-Index S&P 500 rund +390 %, der europäische Stoxx 600 etwa +250 % und der Eurostoxx 50 der Eurozone etwa + 190 %. Seit dem Höchst Anfang 2000 stieg der S&P 500 um rund +210 %, der europäische Stoxx 600 aber nur rund halb so viel mit +105 %, während der Eurostoxx 50 der Eurozone sogar nur rund +55 %, aber der Schweizer SMI immerhin +133 % zeigte (gemessen am Gesamtertrag per November 2019). Woher kommen diese signifikanten Unterschiede in der Performance?

Es gibt dafür vor allem fundamentale Gründe, die in der Gewinnentwicklung, unterschiedlicher Profitabilität der wichtigen Sektoren und Konjunkturunterschieden ihre Ursachen haben. So beträgt die Profitabilität, gemessen an der operativen Gewinnmarge in den USA 13 %, in der Schweiz 12 %, im europäischen Index Stoxx 600 oder Eurostoxx 50 aber nur 10 %. Dies bedeutet eine 30 % bessere Profitabilität der Firmen der USA im Vergleich zu jenen von Europa. Ein Grund für diesen Unterschied ist die hohe Gewichtung der Sektoren mit strukturell höheren Gewinnmargen in den USA: Technologie und Kommunikation sind in den USA mit über 20 % im Aktienindex gewichtet, in Europa aber mit nur einem Drittel, rund 7 %. Auf der anderen Seite beträgt die Gewichtung der in der Profitabilität seit vielen Jahren unter Druck stehenden Finanzbranchen in Europa auch rund 20 %, also so viel wie die Sektoren mit hohen Gewinnmargen in den USA. 

Logischerweise sind die Unternehmensgewinne in den USA auch weit stärker angestiegen als in Europa. Zum Beispiel stiegen die rapportierten Gewinne des S&P 500 seit dem Rezessionstief von 2002 um +400 %, was etwa mit der Performancesteigerung parallel verläuft und die gegenüber Europa höhere Bewertung der USA deutlich relativiert. Europa zeigte nur etwa +230 % nternehmensgewinnsteigerung seit 2002, die Schweiz aber immerhin +300 %. 

Es ist richtig, dass die absolute Bewertung im Kurs-/Gewinn-Verhältnis oder im Kurs-/Substanzwert-Verhältnis für US-Aktien höher ist als für europäische Aktien. Dies erscheint aber angesichts des wie gezeigt höheren Gewinnwachstums und der auch klar besseren Gewinnmarge im langfristigen Vergleich wohl begründet. 

«Die Profitabilität der Firmen im S&P 500 ist relative 30 % besser als die der Firmen des europäischen Stoxx 600.»

Gérard Piasko, Chief Investment Officer

Die Frage stellt sich, welche anderen Ursachen das tiefere Gewinnwachstum europäischer Aktien abgesehen von der unterschiedlichen Profitabilität haben. Zwei Ursachen sind wahrscheinlich zusätzlich von Bedeutung. Zum einen die Zinsabhängigkeit europäischer Gewinne aufgrund der hohen Gewichtung der Finanzbranchen, zum anderen die Exportabhängigkeit Europas und damit hohe Sensitivität bzw. Verwundbarkeit bei zunehmenden geopolitischen und handelspolitischen Risiken. Zur Zinsabhängigkeit ein paar Belege. In der Phase steigender Zinsen in den 90-er Jahren verbesserte sich die relative Performance der Eurozone gemessen am Eurostoxx 50 gegenüber den USA (S&P 500) um etwa 65 %, doch fiel sie wieder rund 65 % seit Beginn der Phase sinkender Zinsen, d. h. etwa seit dem Aktienhöchst des Jahres 2000. Zugleich zeigte sich auch das höhere Beta bzw. die höhere Gesamtmarkt-Sensitivität europäischer Aktien. Sie sind volatiler, weil sie fundamental mehr konjunkturabhängig, genauer exportabhängig und damit abhängig vom Welthandelswachstum sind. Die bessere Performance Europas in Teilen der 90-er Jahre und 2004-2009 erklärt sich durch das überdurchschnittliche Wachstum des Welthandels und damit des Exportwachstums. Ein wichtiger Unterschied zwischen den USA und Europa ist die unterschiedliche Zusammensetzung der Wirtschaftsaktivität bzw. des Bruttoinlandproduktes (BIP). Die USA haben traditionell einen hohen Wirtschaftsanteil, der aus dem Inland und dem Konsum kommt. Der Privatkonsum ist die wichtige Komponente der Wirtschaft und beträgt historisch stabile 68 % der Wirtschaftsaktivität. In der EU ist der Konsumanteil an der Wirtschaftsaktivität niedriger und der Exportanteil weit höher. Noch 2001 betrug der Exportanteil an der Wirtschaftsaktivität in der EU nur rund 30 %, inzwischen aber, da der Konsum weit weniger wächst als in den USA, liegt dieser über 45 %. Dies bringt uns zur aktuellen Situation. Das Aufholen europäischer Aktien betreffend Performance in diesem Jahr verlief parallel zum aufkommenden Optimismus im Hinblick auf eine Entspannung bzw. der Aussicht auf eine Lösung im Handelskonflikt USA-China. Diese Parallelität erscheint einerseits plausibel angesichts der beschriebenen Exportabhängigkeit europäischer Aktien, birgt aber andererseits das Risiko eines nicht in den Preisen antizipierten Risikos von Handelsstreitigkeiten zwischen den USA und der EU. Ebenso zeigt dies die Verwundbarkeit Europas, sollten die Entwicklungen im Handelskonflikt mit China nicht zu einer wirklichen Lösung führen. Zudem ist es, eventuell auch nach den britischen Wahlen vom Dezember (übrigens den dritten Parlamentswahlen in vier Jahren) keineswegs sicher, dass die Unsicherheit betreffend der «Brexit»-Problematik wirklich vorüber ist. Konklusion ist, dass europäische Aktien mehr Risiken aufweisen als amerikanische und damit wohl auch künftig volatiler bleiben. 
 

Gérard Piasko

Gérard Piasko

Gérard Piasko leitet als CIO das Anlagekomitee der Privatbank Maerki Baumann & Co. AG. Zuvor war er über viele Jahre CIO bei Julius Baer, bei Sal. Oppenheim und bei der Deutschen Bank.

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Redaktionsschluss: 8. November  2019

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