Aktien oder Anleihen ‒ wer hat diesmal Recht?

Marktkommentar, Juni 2019

Aktien oder Anleihen ‒ wer hat diesmal Recht?

Trotz erhöhter Volatilität zeigen die Aktienmärkte weiter klar höhere Kurse als zu Jahresbeginn. Andererseits sind die Obligationenrenditen seit Jahresbeginn global gesunken. Normalerweise laufen in einem expandierenden Wirtschaftszyklus diese beiden Konjunkturindikatoren parallel. Dass sie es nicht tun, wirft die Frage auf, wer wohl Recht hat – Aktien oder Anleihen?

Wer seit Jahresbeginn die Aktien- mit den Anleihenmärkten vergleicht, sieht, dass Aktien deutlich zugelegt haben während die Obligationenrenditen stark gesunken sind. Man fragt sich sofort, woher diese Diskrepanz kommt. In normalen Zeiten deuten steigende Aktienmärkte auf eine stärkere Wirtschaft. Dann aber müssten auch die globalen Obligationenrenditen höher als Anfang Januar liegen. Wenn Obligationenrenditen fallen, deutet dies auf schwächere Konjunktur hin, was meist früher oder später auch zu schwächeren Aktienmärkten führt ‒ über eine sinkende Aktienbewertung oder über weniger stark wachsende Unternehmensgewinne.

Wer hat nun Recht, Aktien oder Anleihen? Nur eine vertiefte Analyse der globalen Wirtschaftsdynamik kann hier eine Antwort geben. Wir haben über hundert Indikatoren aus allen wichtigen Volkswirtschaften untersucht und kom-     men zum Schluss, dass die Anleihen wohl eher Recht haben ‒bzw. Recht haben werden. Dies, weil selten so viele Konjunkturindikatoren aus wichtigen Ländern gleichzeitig eine globale Wirtschaftsabschwächung anzeigen.

Dies führte zuerst zu einer Pause bei den geplanten Zinserhöhungen, wie wir in der Kommunikation der wichtigen Zentralbanken seit Januar feststellen konnten. Wenn die Weltwirtschaft sich nun noch weiter abschwächt und/oder die Aktienmärke eine deutlichere Korrektur erleben, bekommen die Zentralbanken, insbesondere die amerikanische, die notwendige Begründung für eine Zinssenkung. Dies kann die Aktienmärkte, aber wohl erst nach einer weiteren Korrektur, später stabilisieren. Der Handelskonflikt kann die Konjunkturabschwächung nicht nur über Zollerhöhungen beschleunigen, sondern auch via steigende Unsicherheit, welche die Industrie- und Investitionsaktivität bremst. Bereits besteht eine gewisse globale Industrie-Rezession, d. h. Kontraktion der Industrieaktivität, in Europa und Japan, noch nicht aber eindeutig in den USA, weshalb US-Aktien auf historisch höheren Niveaus liegen.

Die steigende Rivalität zwischen den USA und China geht nun vom Handelskonflikt auf die nächste Ebene über, auf die gegenseitige Bekämpfung in den wichtigen Technolo-gien wie das Beispiel der US-Sanktionen gegen den global führenden 5G-Netzwerkausrüster Huawei zeigt. Dieser Technologie-Kampf könnte die Schwäche der Industrieaktivität von Europa und Japan nun mehr nach China und auch in die USA bringen. Es ist kein Zufall, dass nun in China und den USA die Industrieproduktion und sogar der Einzelhandel als Konsumindikator im letzten Monat die Konsenserwartungen klar enttäuscht haben. Es ist daher plausibel davon auszugehen, dass die Anleihen gegenüber den Aktien in ihrer «Antizipierungsfunktion» wahrscheinlich eher Recht haben. Darum wäre es keine Überraschung, wenn Aktien nochmals korrigieren und der schwächeren Konjunktur Tribut zollen würden.

«Die US-Zinskurveninversion dient als klare Warnung für den globalen Konjunkturzyklus.»

Gérard Piasko, Chief Investment Officer

Zinskurven-Inversion
Die globalen Zinsen werden am meisten von den US-Zinsen beeinflusst - genauso wie die Wallstreet global den wichtigsten Einfluss auf die verschiedenen Aktienmärkte hat. Daher bekommt die schon im März beobachtbare Inversion oder Umkehr der US-Zinskurve besondere Bedeutung. Gemeint ist das seltene Ereignis, dass die US-Regierungszinsen mit langer Laufzeit (zehn Jahren) unter jene mit kurzer Laufzeit (drei Monaten) gefallen sind. Normalerweise verlangen die Kapitalmärkte für das Ausleihen von Geld auf längere Zeit logischerweise höhere Zinsen als für das Ausleihen auf kurze Zeit. Eine US-Zinskurveninversion (Niveau der 10-Jahreszinsen unter den 3-Monatszinsen) ereignete sich jedes Mal im Vorfeld aller Rezessionen der US-Wirtschaft der letzten 50 Jahre. Daher fragt sich, ob dieses Signal wieder eine deutliche Warnung an die Investoren ist. Die aktuelle US-Zinskurvenumkehr hat verschiedene Ursachen. Zum einen ist global die Nachfrage nach noch nicht Null oder negativ rentierenden Obligationen wie US-Anleihen zurzeit hoch. Daher sinken die langen US-Zinsen besonders stark, obwohl auch die kurzen US-Zinsen sinken, weil diese Zinssenkungen durch die US-Zentralbank erwarten. Zum zweiten hat die historisch einmalige Nachfrage der Zentralbanken nach länger laufenden Staatsanleihen die Zinskurven weltweit flacher werden lassen. Diese über die Quantität der Obligationennachfrage erfolgte geldpolitische Steuerung kompliziert die Analyse der Zinskurven, da sie zusätzlich seit über zehn Jahren die langen Zinsen nach unten drückt.

Dennoch sollte die Konjunkturwarnung einer US-Zinskurveninversion von niemandem ignoriert werden ‒ besonders nicht von den Zentralbanken. Wie oft hiess es doch in der Vergangenheit: «this time it’s different – diesmal ist es anders». Aber es war selten anders.

Tatsache ist, dass der Unterschied zwischen den US-3-Monatszinsen und den US-10-Jahreszinsen in der Spätphase des US-Konjunkturzyklus oft um Null herum schwankt. Tatsache ist aber eben auch, dass eine Zinskurvenumkehr historisch ein guter Rezessionsindikator war. Unsere Konklusion ist folgende. Würde die US-Zinskurveninversion zwischen 10-Jahres- und 3-Monatszinsen noch stärker werden und die 10-Jahreszinsen auch unter die 2-Jahreszinsen fallen, würde die Aussagekraft dieses Indikators deutlich steigen. 

Für den Moment jedenfalls dient die Zinskurveninversion als Warnung in den Aktienpositionierungen besser defensiver unterwegs zu sein – wie wir es in den anlagepolitischen Entscheidungen seit längerem kommunizierten. 
 

Gérard Piasko

Gérard Piasko

Gérard Piasko leitet als CIO das Anlagekomitee der Privatbank Maerki Baumann & Co. AG. Zuvor war er über viele Jahre CIO bei Julius Baer, bei Sal. Oppenheim und bei der Deutschen Bank.

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Redaktionsschluss: 6. Juni 2019

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