Zu hohe chinesische Wirtschaftshoffnungen?

Marktkommentar, Januar 2023

Zu hohe chinesische Wirtschaftshoffnungen?

Der überraschende Wechsel der Corona-Politik der chinesischen Führung hat seit Dezember zu einer deutlichen Erholung chinesischer und anderer asiatischer Finanzmärkte geführt. Die Regierung in Peking versucht so den sozialen Protesten in der chinesischen Bevölkerung zu begegnen, die im Ausmass alle Beobachter innerhalb und ausserhalb Chinas überrascht haben. Allerdings ist die Durchimpfung der chinesischen Bevölkerung noch ungenügend, um das Wirtschaftswachstum und die Unternehmensgewinne nachhaltig zu kräftigen. Eine gesunde Portion Skepsis gegenüber dem vom Marktkonsensus erwarteten Wachstum für die chinesische Wirtschaft dürfte weiter angebracht sein.   

Vor kurzem zeigte sich in den Finanzmärkten einmal mehr wieder aufkeimender Optimismus bezüglich China und Asien. Im Zuge der massiven sozialen Proteste in den grossen Städten Chinas revidierte der chinesische Präsident Xi zwar nicht offiziell, aber faktisch die bisherige Null-Toleranz-Politik zu Corona. Die Lockerungen der vorher extrem strengen Lockdown- und Quarantänebestimmungen führten dazu, dass der Analystenkonsens für 2023 eine deutliche Konjunkturerholung Chinas erwartet und nun schon ein Wirtschaftswachstum von 4,75–5 % prognostiziert nach ca. 3 % im Jahr 2022. Dies im Gegensatz zu einem vom Marktkonsens für 2023 prognostizierten Wachstum von 0–0,5 % für die USA und die Europäische Union.

Es ist zwar anzunehmen, dass es, besonders wegen der regen Reisetätigkeit um das chinesische Neujahr, zu einer partiellen Erholung beim Konsum und der Mobilität kommen wird. Doch gerade wegen der Reisen ist mit einer raschen Ausbreitung des Corona-Virus und wohl auch mit neuen Varianten zu rechnen. Dies dürfte in China zu krankheitsbedingten Produktionsausfällen führen. Diese wiederum können die inzwischen erholten Lieferungen von chinesischen Produkten und Komponenten wieder reduzieren und wegen Angebotsknappheit den Rückgang der Inflation in westlichen Ländern behindern. Dann wäre ebenfalls ein schwächeres Produktionswachstum in Europa oder den USA wegen fehlender Komponenten aus China in der Folge keine Überraschung. Bis eine genügende Durchimpfung der chinesischen Bevölkerung mit wirksamen Impfstoffen erreicht ist, sollte daher noch nicht mit grossen Wachstumsimpulsen für die Weltwirtschaft vonseiten Chinas gerechnet werden. Zudem erscheint bisher die Stimulierung der chinesischen Konjunktur durch die politische Führung in Peking noch nicht besonders deutlich. Die Reduktion der Reservensätze für die Banken und der Kreditzinsen kann nicht als genug stark quantifiziert werden, um den zinssensitiven Teilen der chinesischen Wirtschaft massive Unterstützung zu geben.

Angesichts der oft hinter dem Marktkonsens hinterherhinkenden Konjunkturrealität in China darf eine gesunde Portion Skepsis auch 2023 angebracht sein.

Gérard Piasko, Chief Investment Officer

Die Konjunkturdaten aus dem für die chinesische Wirtschaft wichtigen Immobiliensektor bleiben unbefriedigend. So zeigen die Investitionen in Chinas Immobiliensektor weiterhin zum Vorjahr ein klares Minuswachstum beziehungsweise eine massive Kontraktion. Der Immobilienbereich ist einer der wichtigsten Bereiche von Chinas Konjunktur und ist allein für rund 25–30 % der chinesischen Wirtschaft verantwortlich. Die neuesten Daten zur chinesischen Wirtschaft auch ausserhalb des Immobiliensektors waren sogar noch schwächer als vom Marktkonsens erwartet. Dabei ist interessant zu sehen, dass nicht nur die Vorlaufindikatoren zum Produktionswachstum in der Industrie schwach ausfielen und eine Kontraktion anzeigen. Auch die Daten aus den Dienstleistungssektoren enttäuschen und deuten auf ein unbefriedigendes Wirtschaftswachstum Chinas hin, denn sie fielen sogar noch schwächer aus als die Konjunkturdaten der Produktionsseite der chinesischen Wirtschaft.

Die in der Vergangenheit so oft überschätzten chinesischen Unternehmensgewinne sind weiterhin mit Argusaugen zu beobachten. Denn sollten sie einmal mehr enttäuschen, könnten sich die vom Konsens für den chinesischen Aktienmarkt erwarteten hohen Gesamterträge als zu optimistisch erweisen. Dies würde übrigens auch bei Jahresbeginn von den Bankanalysten generell zu hoch eingeschätzten Gewinnwachstum weltweit passen. In der Regel stellt sich zum Jahresende heraus, dass der Marktkonsens die Unternehmensgewinne mindestens 5 % zu hoch einschätzt, oft auch 10 % zu hoch, wie verschiedene Studien, gerade aus den USA, zeigen.

Fazit: Die chinesischen und generell die asiatischen Finanzmärkte haben die Wiederöffnung Chinas nach den strengen Lockdownregelungen mit massiven Aufwärtsbewegungen begrüsst und damit bereits wieder ein deutlich stärkeres Wirtschaftswachstum eingepreist. Ob dieses aber so umfassend und so rasch auch erfolgen kann, wie es die erholten Märkte schon antizipieren, kann erst die Zukunft zeigen. Angesichts der in den letzten Jahren oft hinter dem Wunschdenken des Marktkonsensus hinterherhinkenden Konjunkturrealität in China darf eine gesunde Portion Skepsis wohl auch 2023 angebracht sein.

Gérard Piasko

Gérard Piasko

Gérard Piasko leitet als Chief Investment Officer das Anlagekomitee der Privatbank Maerki Baumann. Zuvor war er über viele Jahre Chief Investment Officer bei Julius Baer, bei Sal. Oppenheim und bei der Deutschen Bank.

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Redaktionsschluss: 10. Januar 2023

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